... 1. Kapitel aus INTIMUS ...
Trilogie: 1. Band "Daemon Ignis - Der Feuerdämon"
ungekürzt
Aidan ging den langen, schmalen Korridor entlang. Bereits zum dritten Mal war er hier, immer wieder dasselbe unwohle Gefühl in sich, immer wieder hoffend, daß es dieses Mal klappte. Die Rechtsanwaltskanzlei »Fire & Shine« hatte ihm ein Bewerbungsgespräch versprochen. Warum wußte er nicht. Aidan ahnte, daß die Chancen gleich null waren, sein Praktikum hier zu machen, dennoch gab er die Hoffnung nicht auf. Er hatte fünfzehn Kanzleien angeschrieben, sieben hatten ihn abgelehnt, sechs hatten ihn kontaktiert und um ein Vorstellungsgespräch gebeten, während zwei gar nicht geantwortet hatten.
»Fire & Shine« hatte Aidan nie angeschrieben. Er wußte, eine Praktikumsstelle in der renommiertesten Rechtsanwaltskanzlei des Landes zu bekommen, war aussichtslos, dennoch war er heute hier. Man hatte ihn eingeladen, nachdem er einen Partner der Kanzlei zufällig nachts in einem Klub getroffen hatte. Der attraktive Mann hatte dem jungen Studenten in einer wahnwitzigen Minute eine Karte zugesteckt und ihm erklärt, er solle sich doch in der Kanzlei vorstellen, vielleicht könnte er ihm ja helfen. Der Mann hatte bereits zu viel getrunken und dachte vermutlich nicht mehr klar, dennoch war Aidan auf diese Chance angewiesen. Denn er hatte bereits vier der sechs Bewerbungsgespräche hinter sich, und jeder der Anwälte hatte ihm dort erklärt, daß man bessere Anwärter für das Praktikum hätte. Wenn Aidan keinen Platz fände, dann könnte er sein Studium nicht beenden, weil ihm nicht nur die Praxis fehlte, sondern vor allem auch das nötige Geld, um sein Studium im nächsten Semester fortzusetzen. Sein Vater würde ihn hinauswerfen, wie er es ihm schon so oft angedroht hatte, nachdem er ihn erneut um Hilfe bat. Nicht, daß sein Vater das Geld nicht gehabt hätte, er hätte es nicht einmal vermißt, doch Aidans Vater hatte seit jeher ein Problem mit seinem jüngsten Sohn. Nicht nur, daß der Mann ihn ständig bei Familienfeiern ausschloß, nein, Aidan wurde nicht als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Hätten seine Mutter und sein älterer Bruder Greg ihm nicht immer wieder auf die Beine geholfen, wäre Aidan vermutlich bereits als Vierzehnjähriger auf der Straße verendet.
Er war nun dreiundzwanzig und sein Leben ging soeben den Bach runter. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, dann würde er nicht nur ohne Ausbildung dastehen, sondern auch ohne ein Dach über dem Kopf.
Aidan stieg langsam in den Aufzug ein, wissend, daß er nur noch wenige Minuten Zeit hatte, um sich im Klaren zu sein, was er sich von einer Praktikumsstelle bei »Fire & Shine« erwartete. Er wußte, daß man ihm die Frage stellte, daß seine Antwort vermutlich die Falsche war, dennoch wollte er es versuchen.
Tief einatmend drückte Aidan auf den Knopf zum vierten Stock, wo sich die Kanzlei befand, während er die Augen kurz schloß und sich zu sammeln versuchte. Hoffentlich ging es dieses Mal gut. Bereits zweimal zuvor sagte ihm die Angestellte an dem Infoschalter, daß keiner der gewünschten Ansprechpartner, die für ein Bewerbungsgespräch zuständig waren, Zeit für ihn hätte. Dieses Mal hatte man ihm einen Termin gegeben, nachdem er der Frau am Infopult sagte, daß man ihn hierher eingeladen hatte. Aidan hatte die kleine Karte auf den Tisch gelegt, die ihm der Mann in dem Nachtklub gegeben hatte, hatte der Frau gezeigt, daß er nicht ohne Grund kam, doch die Angestellte hatte nur lächelnd auf die Visitenkarte gestarrt, hatte dann ihren Kopf geschüttelt und ihm einen Termin für heute Morgen gegeben. Dr. Shaky würde ihn sicher gerne empfangen, hatte sie ihm versprochen und ihm die Karte des Mannes zurückgegeben. Aidan hatte genickt, stumm gehofft, daß der attraktive Dr. Shaky, der ihm die Karte zugesteckt hatte, genug Einfluß besaß, um ihm eine Stelle anzubieten.
Die Aufzugstüren öffneten sich, und Aidan starrte für einen Moment auf die weitläufige Halle vor sich, in der hektisches Treiben herrschte. So war es auch die beiden Male zuvor gewesen.
Nervös sah sich Aidan um, bevor er zielsicher auf das Infopult zuging und sein süßestes Lächeln aufsetzte, hoffend, daß man ihn heute vorließe. Seine Mundwinkel zuckten aufgeregt, bevor er der jungen Frau an der Auskunft seinen Termin nannte.
„Dr. Shaky“, wisperte die junge Frau und lächelte ihn freundlich an, „ist leider nicht im Haus. Möchten Sie einen neuen Termin, oder wollen Sie warten?“
Aidan schrie stumm auf.
Himmel, er hatte einen Termin und der Mann war nicht da?
„Wann kommt er wieder?“, murmelte Aidan leise, hoffend, daß sein Vorstellungsgespräch nicht ein weiteres Mal platzte.
Die junge Frau blickte kurz auf ihren Monitor, tippte mit ihren langen, rot manikürten Nägeln etwas ein und sah dann wieder auf den Bildschirm.
„Er wird voraussichtlich erst am späten Nachmittag zurück sein. Ich schlage vor, Sie erhalten einen neuen Termin!“
Sie lächelte freundlich und tippte wieder etwas in ihren Computer ein.
„Nein, keinen neuen Termin“, stammelte Aidan unruhig. „Kann ich mich denn nicht bei jemand anderem vorstellen?“
Die junge Frau musterte Aidan vorsichtig, bevor sie sich erhob, sich hastig umblickte und sich dann über das hohe Pult beugte.
„Wissen Sie, wo Sie hier sind? Das ist »Fire & Shine«, die renommierteste Rechtsanwaltskanzlei des Landes! Denken Sie wirklich, daß Sie diesem Job gewachsen seien?“, murmelte sie leise.
Aidan starrte die Frau für Sekunden an, während ihre Worte noch immer in seinen Ohren hallten.
„Ich …“, stammelte er verlegen, „ich habe doch einen Termin. Ich …“
Aidan unterbrach sich, dann sah er unsicher zu Boden.
Verdammt, die Frau hatte recht, er war dem Job vermutlich nicht gewachsen, aber dieses Praktikum könnte ihm Türen öffnen, Türen, in deren Nähe er ansonsten nicht einmal im Entferntesten kam!
Die junge Frau musterte Aidan kurz, dann sah sie sich erneut um. Fast schien es, als kontrolliere sie, ob sie auch niemand beobachtete.
„Hör´ mir zu, Junge“, flüsterte sie freundlich lächelnd. „Sieh´ dich nach einem anderen Praktikumsplatz um. »Fire & Shine« nimmt immer nur die Besten der Besten, die von unserem Big Boss persönlich ausgewählt werden. Solange du keine Karte von ihm hast, hör auf meinen Rat und geh wieder. Es ist das Beste für dich. Dr. Shaky kann nichts für dich tun, er trifft die Entscheidungen nicht!“
„Aber er hat mir doch diese Karte gegeben!“, stammelte Aidan verwirrt, wissend, daß der Erfolg, um zu einem Vorstellungsgespräch vorgelassen zu werden, aussichtslos war.
Die junge Frau seufzte schwer, sah Aidan noch einmal an, bevor sie sich wieder ein Stück vorbeugte.
„Laß mich raten: Er hat dir die Karte in irgendeinem Nachtklub zugesteckt, oder?“, flüsterte sie leise, immer wieder darauf achtend, daß sie niemand belauschte.
Aidan nickte stumm.
„Das dachte ich mir. Dr. Shaky macht das immer wieder“, murmelte sie aufgebracht, und fast schien es, als würde sie den Rechtsanwalt dafür verurteilen. „Du hast ihm gefallen, und mit seiner Karte hat er dich gelockt. In Wirklichkeit wollte er dich bloß wiedertreffen!“
Aidan schluckte nervös, ahnend, was ihm die junge Frau, die sich soeben wieder setzte, unterdrückt mitteilen wollte.
Himmel, der verdammte Kerl wollte ihn nur in sein Bett zerren!
Wut keimte in Aidan auf, und für einen Moment wußte er nicht, ob die lodernden Flammen in seinem Inneren ihn überwältigten oder nicht, bevor er sich wieder beruhigte, sich sammelte und tief durchatmete.
„Das ist wirklich wichtig für mich!“, flüsterte Aidan und seine Stimme zitterte leicht.
Die junge Frau sah zu ihm auf.
„Junge, selbst wenn ich dir einen neuen Termin gäbe, wird es dir nichts bringen!“, flüsterte sie und hoffte, daß Aidan endlich verstünde und wieder ginge.
„Was bringt nichts?“, zischte eine tiefe, männliche Stimme hinter Aidan. Eine dunkle Ledertasche schlug knallend auf das Pult auf.
Aidan drehte sich erschrocken um und starrte auf die breite Brust vor sich, die in einem dunklen Nadelstreifenanzug und einem weißen Hemd steckte. Verstört blickte er auf und stieß keuchend den Atem aus. Vor ihm stand ein mindestens zwei Meter großer, breitschultriger Mann, Mitte dreißig, dessen dunkle Augen ihn finster musterten. Etwas Gefährliches, Diabolisches brannte in dem Blick des Fremden, und unbewußt trat Aidan einen Schritt zurück, umklammerte seine Bewerbungsmappe und keuchte erneut auf, als ihn wieder ein wildes Feuer verbrannte. Züngelnde, um sich schlagende Flammen versengten sein Innerstes, und sein Schwanz versteifte sich.
Himmel, was passierte soeben mit ihm? Der Mann vor ihm mochte ja attraktiv sein, aber mußte sein Körper deshalb gleich Verrat begehen? Mußte er etwas begehren, was teuflisch und wild funkelte und ihn womöglich verbrannte?
Stumm starrte Aidan auf den Fremden, dessen Augen eisern auf ihn gerichtet waren. Er zog nervös seine Jacke enger zusammen, wissend, daß sie lang und dick genug war, um die Ausbuchtung in seiner Hose zu verbergen, dennoch wollte er auf Nummer sicher gehen.
„Was bringt nichts?“, zischte der Fremde erneut, blickte kurz auf die Frau hinter dem Pult und wandte sich dann wieder zu dem jungen Mann um.
Seine dunkelbraunen, fast schwarzen Augen musterten Aidan kühl. Ein stilles Feuer schien in ihnen zu glimmen.
„Dr. Wayne!“, rief die junge Frau nervös, ihre hellblaue Bluse unruhig zurechtstreichend. „Der junge Mann hatte ein Bewerbungsgespräch mit Dr. Shaky. Aber Dr. Shaky ist nicht hier. Und …“
„Dr. Shaky?“, widerholte der Fremde und blickte auf die Frau am Informationsschalter. „Hat er schon wieder seine letzte Eroberung herbestellt?“
Die Frau nickte vorsichtig und blickte kurz zu Aidan, der wütend auffauchte.
Hatte er richtig gehört? Letzte Eroberung?
Mann, vielleicht war er etwas naiv gewesen, als er die Karte angenommen hatte, aber er war nicht hier, weil er seinen Körper an einen Rechtsanwalt verkauft hatte!
„Hey!“, fauchte Aidan aufbrausend. „Ich kann Sie hören, ja?“
Der fremde Mann drehte sich wieder zu Aidan um und musterte ihn. Seine Augen glitten herausfordernd über den jungen, schlanken Körper. Ein spöttisches Schmunzeln huschte um seine Lippen, bevor er sich wieder der Frau hinter dem Pult zuwandte.
„Irgendwelche Termine oder Anrufe, Christin?“, fragte Dr. Wayne und ignorierte den jungen Mann neben sich.
„Ja, Dr. Wayne“, sprach die Frau und tippte etwas in ihren Computer ein. „Sieben Anrufe und drei Terminänderungen. Ich habe alle Aufzeichnungen an Sie weitergeleitet.“
„Gut“, antwortete Dr. Wayne, blickte erneut mißgünstig zu Aidan, bevor er sich gleichgültig umdrehte und ging.
Stumm folgte Aidan dem Riesen mit seinem Blick und fluchte wortlos auf, weil man ihn für einen leichten Jungen gehalten hatte.
Wollte er hier wirklich arbeiten? An der Seite dieses unverschämten Mannes, der ihn vermutlich jede Minute seines Daseins quälen würde?
Aidan murrte mißbilligend und drehte sich wieder zu der jungen Frau am Schalter um.
„Gut“, sagte er aufgebracht und faßte einen schweren Entschluß. „Geben Sie mir einen neuen Termin. Irgendwann wird man ja vielleicht Zeit für mich haben!“
Gott, Aidan war noch nie so herablassend behandelt worden! Von seinem Vater vielleicht, aber die Beziehung zu seinem Vater war eine ganz andere! Es war eben die eine Sache von seinem eigenen Fleisch und Blut als minderwertig angesehen zu werden, aber eine ganz andere von diesem Hünen eines Mannes öffentlich beleidigt zu werden!
Die junge Frau musterte Aidan sorgfältig, bevor sie auf die Tür starrte, hinter der Dr. Wayne verschwunden war. Dann wisperte sie leise:
„Hör´ mal, selbst wenn ich dir einen neuen Termin gäbe, wird sich Dr. Wayne anders entscheiden. Er weiß, daß du aufgrund von Dr. Shakys Einladung hier bist!“
„Dr. Wayne?“, zischte Aidan. „Hat er hier das Sagen, wenn es um Praktikumsplätze geht?“
Die junge Frau nickte und starrte wieder hastig zu der geschlossenen Tür.
„Dr. Wayne ist der Chef der Kanzlei! Er ist der Big Boss, wenn du es so haben möchtest!“, flüsterte sie eingeschüchtert.
„Er ist einer von »Fire & Shine«?“, sprach Aidan ungläubig, und für Sekunden stand ihm entsetzt der Mund offen.
„Nein, Junge!“, antwortete Christin flüsternd, als könnte Dr. Wayne sie hören.
Aidan verstand augenblicklich. Stumm nickte er und drehte sich zu der Tür um, hinter der der Mann verschwunden war. Ernüchternd ließ er seine Mundwinkel hängen. Wenn dieser Dr. Wayne die Kanzlei führte, dann war die Aussicht auf einen Praktikumsplatz gleich null!
Aidan sah seine Zukunft schon schwinden! Eine Rettung schien hoffnungslos! Doch konnte er einfach so aufgeben? Konnte er sein Schicksal einfach ohne Worte hinnehmen?
Tief einatmend faßte Aidan einen Entschluß und setzte sich unerwartet in Bewegung. Die Blicke der jungen Frau brannten auf ihm, und obwohl er sich nicht zu ihr umwandte, ahnte er von ihrer Geschocktheit. Ohne zu fragen oder über sein Handeln nachzudenken, ging er auf die Tür zu, hinter der Dr. Wayne verschwunden war.
Jetzt oder nie, wußte Aidan. Er hatte nur eine Chance, und die mußte er nutzen, bevor er sein Leben zur Gänze hinwarf.
„Halt!“, zischte die junge Frau auch schon hinter ihm und sprang hoch. „Wo willst du hin?“
Doch Aidan ignorierte ihre Frage, stattdessen ging er weiter, drückte die Bewerbungsmappe enger gegen seine Brust und klopfte kurz an die Tür, als er sie auch schon öffnete. Unaufgefordert trat er einfach ein, wissend, daß die junge Frau ihm folgte.
„Sir?“, sprach Aidan, ohne seine Wut auf Dr. Wayne unterdrücken zu können.
Anklagend starrte er auf den großen Mann. Dunkle, fast schwarze Augen trafen ihn im selben Moment, und erneut spürte Aidan das Feuer in sich brennen.
Gütiger Himmel, heiß zuckende Flammen erschlugen ihn, und er ahnte, er würde jeden Tag mit sich selbst kämpfen, um dem Mann nicht zu verfallen, sollte er hier einen Praktikumsplatz erhalten. Dennoch wollte er nicht aufgeben. Er konnte einfach nicht!
Nervös schluckte Aidan. Die Anziehungskraft, die von dem Fremden ausging, erdrückte ihn schier, und fast schien es, als würde ihn eine unsichtbare Magie an den Mann fesseln. Eine Macht, die nicht natürlichen Ursprungs war.
Erneut spürte Aidan, wie sich sein Schwanz in der Hose verhärtete, wie sein Blut zu kochen begann und seine Adern vor Wollust fast zerplatzten. Noch nie hatte ein Mann solche Gefühle in ihm ausgelöst! Noch nie hatte ihn die bloße Gegenwart eines anderen so in Ekstase versetzt!
„Was soll das?“, zischte eine tiefe, männliche Stimme und riß Aidan aus seinen Gedanken.
„Ich will nur eine faire Chance, Sir!“, wisperte Aidan hastig, seine Stimme vor Aufregung und Begierde zitternd.
Dr. Wayne zog eine seiner dunklen Brauen hoch, bevor er mit seinen Augen gierig über den Körper des jungen Mannes glitt, als die Frau von dem Infopult im Raum erschien.
„Dr. Wayne, entschuldigen Sie vielmals die Störung, aber der junge Mann ist einfach weitergegangen, obwohl ich ihn zurückrief“, murmelte sie und versuchte Aidan aus dem Raum zu schieben.
Dr. Wayne nickte und starrte wieder auf den aufdringlichen Studenten. Nervosität und Unsicherheit lagen in dessen Augen, aber auch Entschlossenheit und Beharrlichkeit.
Selbstsicher erhob sich der Anwalt und baute sich mit einem drohenden Blick vor Aidan auf. Er setze zum Sprechen an, doch der Junge kam ihm zuvor.
„Hören Sie“, murmelte Aidan eingeschüchtert, „ich weiß, Sie haben bessere Anwärter für den Job, und ich weiß, daß ich Ihnen vermutlich Ihre Zeit stehle, aber bitte geben Sie mir eine faire Chance!“
Deryl Wayne musterte den Studenten kühl, während sein Blick zum hundertsten Mal über dessen Körper glitt.
Teufel, nicht nur, daß ihn der junge Leib in Versuchung führte, nein, auch das Flehen und die Bitte rührten ihn und brachten seine seit Jahren bewährten Vorsätze zum Wanken.
„Bitte“, flüsterte Aidan beschwörend und preßte seine Mappe unsicher an sich. „Geben Sie mir fünf Minuten!“
Das Flehen in den grünen Augen und die Hoffnung, die sich darin widerspiegelte, ließen Deryl weich werden. Laut aufseufzend ging er zu seinem dunklen Bürostuhl zurück, ließ sich grollend darauf nieder und murrte schließlich nachgebend:
„Gut! Sie haben fünf Minuten! Danach verschwinden Sie!“
Aidan nickte hastig, während die junge Frau an seiner Seite geschockt auf ihren Boss starrte.
„Viel Glück!“, murmelte sie dann zu Aidan, bevor sie sich verwirrt abwandte und ging. Daß Dr. Wayne Extrachancen einräumte, war noch nie dagewesen!
Unsicher verließ sie den Raum, ahnend, daß das Ganze nur ein weiteres Spiel ihres Arbeitgebers war.
Währenddessen setzte sich Aidan auf den unbequemen Stuhl vor dem riesigen Schreibtisch Dr. Waynes, der ihn mit Adleraugen musterte. Ihn beschlich das Gefühl, daß der Rechtsanwalt bis in seine Seele vordringen konnte und ihn durchschaute. Aidan runzelte die Stirn, räusperte sich kurz, bevor er die Bewerbungsmappe öffnete und seine Unterlagen hervorholte.
„4 Minuten und 45 Sekunden!“, zischte Dr. Wayne im selben Moment, faltete seine Finger auf dem Schoß und wippte in seinem Bürostuhl leicht hin und her.
Aidan riß den Kopf hoch. Er ahnte, die fünf Minuten waren ernst gemeint. Hektisch legte er seine Zeugnisse und Bewerbungsunterlagen mit Foto auf den Schreibtisch des Rechtsanwaltes.
„Meine Unterlagen“, flüsterte er und wappnete sich innerlich, indem er sich seine nächsten Worte zurechtlegte. „Ich weiß, Sie haben bessere Bewerber, und ich weiß, daß ich Ihre Zeit vergeude, aber bitte sehen Sie sich meine Unterlagen zumindest an und geben Sie mir eine Chance. Mehr will ich ja nicht!“
Deryl verdrehte seine Augen. Er hatte die Worte schon hundert Mal gehört, immer wieder! Und immer wieder hatte er den Bewerbern dieselbe Antwort gegeben: Sie sind nicht einer der Besten? Sie sind nicht der Beste unter den Besten? Dann gehen Sie woanders hin, und verschwenden Sie nicht länger meine Zeit! »Fire & Shine« gibt sich niemals mit dem Mittelmaß zufrieden!
Doch dieses Mal brachte er die Worte einfach nicht über seine Lippen. Stattdessen nahm er die Unterlagen auf und blickte kurz auf die einzelnen Zeugnisse. Die Noten waren durchschnittlich, die Unterlagen verfügten über keine Empfehlungsschreiben von Professoren. Das hieß, der Junge hätte niemals eine Chance!
Mißbilligend warf er die Dokumente wieder auf seinen Schreibtisch in Richtung des Studenten, bevor er auf seine Armbanduhr sah.
„Drei Minuten!“, zischte er mit verhärteten Gesichtszügen. „Ihre Zeit rinnt, mein Lieber. Beeilen Sie sich, wenn Sie mich noch überzeugen wollen!“
Aidan schluckte, ignorierte das Feuer, das ihn schier verbrannte, bevor er mit zittriger Stimme zu sprechen begann:
„Meine Noten sind mittelmäßig, aber ich weiß, daß ich der Aufgabe gewachsen bin. Ich werde es Ihnen beweisen! Nur bitte geben Sie mir dazu eine Gelegenheit! Ich mache alles, was Sie von mir verlangen, nur geben Sie mir diese Praktikumsstelle!“
Aidan schluckte erneut. Seine Stimme hatte vor Aufregung und vor unbefriedigter Leidenschaft verräterisch geschwankt, doch er ignorierte es. Vorgetäuschtes Selbstbewußtsein war noch immer besser als reumütige Kapitulation!
Deryl Wayne musterte den jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen, erkannte die Unsicherheit und die Verzweiflung in dessen Stimme, während sein Körper ihn unerwartet verbrannte. Ungezügelte Wellen purer Leidenschaft und Lust überfluteten ihn und brachten seine ansonsten stets aufrechterhaltene Souveränität zum Wanken. Mechanisch glitt sein Blick erneut über den Studenten. Smaragdgrüne Augen hafteten auf ihm und baten stumm um seine Einsicht. Weiße, fast alabastern schimmernde Haut lud Deryl zum Verweilen ein, während ihn die roten, vollen und fein geschwungenen Lippen stumm lockten.
Deryl schluckte. Sein Schwanz richtete sich fordernd auf und beulte seine Hose aus. Hastig streiften seine dunklen Augen über den schlanken, zierlichen Körper des Studenten, der ihn magisch anzuziehen schien. Ein mürrisches Grollen drang aus seiner Kehle. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Er begehrte etwas, das er nicht haben konnte, das er nicht haben durfte! Überhaupt, warum sehnte er sich nach einem einfachen Studenten? Warum verzehrte sich sein Leib nach etwas, das er jede Nacht haben konnte? Warum versteifte sich sein Schwanz, nur weil er den jungen Mann attraktiv fand? War er nicht längst über das Alter hinaus, daß sich sein bestes Stück unnachgiebig gegen ihn auflehnte? Hatte er es schon wieder nötig?
Doch so sehr Deryl sich auch einzureden versuchte, daß es lediglich Triebverhalten war, das seinen Körper peinigte, so sehr ahnte er auch, daß seine Gelüste ganz anderer Natur waren. Irgendetwas stimmte hier nicht. Noch nie hatte sich sein Leib so sehr nach einem anderen Mann gesehnt, wie nach diesem jungen Studenten. Noch nie hatte ihn sein Schwanz so sehr verraten, wie er es im Augenblick tat. Deryl konnte es nicht kontrollieren. Je mehr er seine Lust zur Ruhe zwang, desto mehr preßte sich sein bestes Stück eisern und heiß pochend gegen den Stoff seiner Pants.
Hölle, ja, der Kleine war überdurchschnittlich attraktiv, aber war das Grund genug, Verrat an ihm zu begehen?
Mürrisch rutschte Deryl erneut auf seinem Bürostuhl hin und her, versuchte unauffällig seine Hosen zu lockern, bevor er sich wieder an den aufdringlichen Studenten wandte.
„Zwei Minuten!“, sprach er rückhaltlos, nachdem er auf seine Armbanduhr gesehen hatte und auf sich selbst wütend war, weil er die Kontrolle über sich verlor. Sogar seine Stimme zitterte aufgrund der verdammten Begierde, die ihn fast verbrannte!
Selbstbewußtsein vortäuschend, lehnte er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, verschränkte die Finger wieder auf seinem Schoß und achtete peinlich genau darauf, daß er die Ausbuchtung in seiner Hose verdeckte. Lässig schwankte er vor und zurück, ohne sein Gegenüber aus den Augen zu lassen.
Ein unkontrolliertes Zischen drang im selben Moment aus der Kehle des jungen Mannes. Hektisch sammelte dieser seine Unterlagen ein, stapelte sie wieder aufeinander und schob sie erneut vorsichtig in Richtung Dr. Waynes.
„Bitte!“, murmelte er leise, ohne das Flehen in seiner Stimme unterdrücken zu können. „Ich mache alles, was Sie wollen, nur geben Sie mir diesen Job!“
Deryl musterte den Studenten erneut, dann räusperte er sich kurz, nahm die Unterlagen noch einmal auf und blätterte sie erneut durch. Er wußte nicht, warum er es tat, dennoch arbeiteten seine Hände ganz automatisch. Um den Anschein von Interesse zu wahren, glitt er mit seinen Augen über die einzelnen Papiere, als er auf dem Foto des jungen Mannes hängen blieb. Smaragdgrüne Augen starrten ihn an, und ohne es zu wollen, formten seine Lippen von selbst die nächsten Worte:
„Alles, Kleiner? Du würdest wirklich alles für eine Praktikumsstelle bei »Fire & Shine« tun?“
Der nackte Körper des Studenten tauchte vor seinem geistigen Auge auf, wie sich dieser unter ihm wand, willig stöhnte und ihn begehrte.
Deryl schluckte hastig, um der Versuchung zu widerstehen, den jungen Mann an Ort und Stelle von den Füßen zu reißen und ihn unter sich zu begraben.
Ein aufkeuchendes, wildes Zischen drang aus der Brust Aidans, und Deryl riß seinen Kopf hoch, bevor er amüsiert lächelte. Rote Flecken hatten sich auf den Wangen des jungen Mannes gebildet, und Deryl ahnte, seine Worte verärgerten den Jungen.
„Fast alles!“, zischte Aidan auch schon im selben Moment.
Deryl nickte, sah erneut auf seine Armbanduhr und zählte die letzten zehn Sekunden der versprochenen fünf Minuten im Geist leise mit. Als die Zeit abgelaufen war, hob er wieder seinen Kopf und starrte auf den Studenten.
„Das habe ich befürchtet!“, flüsterte er mit aufreizender Stimme und lächelte den Jungen herausfordernd an. Sein Schwanz quälte ihn erneut. „Deine Zeit ist abgelaufen, junger Mann!“
Mit einer raschen Bewegung warf Deryl die Unterlagen über den Tisch zurück zu Aidan. Dann lehnte er sich gelassen in seinen Stuhl zurück.
„Gut, du hattest deine Chance, doch ich bin nicht davon überzeugt, daß du der Richtige für eine Praktikumsstelle bei »Fire & Shine« bist“, sprach Deryl kühl, die Höflichkeitsform gegenüber dem Studenten schon seit geraumer Zeit nicht mehr benutzend.
Sein Schwanz protestierte heftig gegen seine Worte, während ihn sein Verstand zum wiederholten Mal vor dem Jungen warnte: Er wird dich quälen! Sein bloßes Antlitz wird dir den Verstand rauben!
Deryl wußte, daß sein Geist recht hatte, doch eine unsichtbare Magie band ihn geheimnisvoll an den fremden Studenten. Fast schien es, als würde er den jungen Mann schon ewig kennen, als hätte er soeben seinen lang ersehnten fehlenden Teil gefunden.
Deryls Gedanken waren purer Unfug, dennoch schmerzten ihn seine eben ausgesprochenen Worte.
Teufel, als würde er etwas verlieren, das er nie besessen hatte!
Der Student sammelte seine Unterlagen ein, kämpfte mit sich selbst, um unter der Enttäuschung nicht zusammenzubrechen, als Deryl unerwartet ein weiteres Mal nach dem Foto in den Unterlagen griff.
Aidan starrte verwirrt auf den riesigen Mann, der sein Bild musterte. Stumm hoffte er, daß Dr. Wayne seine Worte zurücknähme, ahnte aber, daß er ohnehin keine Chance hätte.
Himmel, es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein! Aber warum sollte ihn, ausgerechnet ihn, die renommierteste Kanzlei des Landes nehmen?
Dr. Wayne hatte recht, wenn er ihn ablehnte! Er hatte ja nicht einmal die besten Noten!
„Hm“, knurrte Deryl im selben Moment, ohne seinen Blick von dem Bild in seiner Hand zu nehmen und wandte sich wieder an den jungen Mann.
„Montag, 7.30 Uhr, pünktlich. Wenn du auch nur eine Minute zu spät kommst, Kleiner, dann war es das!“ knurrte er, selbst nicht glauben könnend, daß er dem Jungen soeben eine Praktikumsstelle angeboten hatte. „Ich weiß, die Lehrveranstaltungen an der Universität sind noch nicht zu Ende, und du wolltest einen Praktikumsplatz während der Ferien, aber jetzt kannst du zeigen, daß du das Semester erfolgreich beenden kannst, während du gleichzeitig hier arbeitest. Streng dich an! Wenn ich nicht mit dir zufrieden bin, dann werde ich dir von einer Minute auf die nächste kündigen. Haben wir uns verstanden?“
Deryl blickte zu Aidan, der ihn mit offenem Mund anstarrte. Ja, der Student konnte die Worte nicht glauben, und Deryl verstand die Skepsis nur zu gut. Er konnte ja selbst nicht glauben, was er soeben gesagt hatte! Doch irgendetwas zwang ihn, den jungen Mann einzustellen, ihn hierzubehalten!
Aidan starrte ungläubig auf Dr. Wayne, als er die Worte des Mannes erkannte.
Gott, bot man ihm tatsächlich eine Stelle bei »Fire & Shine« an? War das möglich?
Nervös preßte er seine Unterlagen fester gegen die Brust. Seine Augen suchten den Blickkontakt zu dem Mann. Dunkelbraune, fast schwarze Augen musterten ihn, und fast schien es, als würde der Anwalt ihn mit seinen Blicken begehren.
Aidan atmete tief durch, dann antwortete er leise:
„Danke, Sir. Sie werden es nicht bereuen. Ich verspreche es!“
Dr. Wayne erhob sich langsam und trat an einen Aktenschrank heran. Hastig griff er nach einem Ordner und kam damit auf Aidan zu. Erneut glitt er mit seinen scharfen Augen über den zierlichen Körper des Jungen. Seine Lenden schmerzten sofort. Sein Schaft verhärtete sich so sehr, daß er für einen Augenblick mit sich selbst kämpfen mußte, um sich nicht vor den Augen des jungen Mannes zu verlieren.
Gott, der Kleine raubte ihm schier seinen Verstand! Er bereute es jetzt schon, daß er den Jungen eingestellt hatte!
„Hier!“ zischte Deryl schließlich und drückte Aidan den Ordner in die Hand.
Bewußt streifte er dabei dessen Finger mit den seinen. Meterhohe Flammen schlugen sofort über Deryl zusammen und vergruben ihn unter sich. Sein Körper schien vor Lust und Begierde zu verbrennen!
Teufel, was geschah hier nur? Warum erschien es ihm, als würde ihn etwas zwingen, dem Studenten näher zu kommen? Sein Schwanz pochte so glühend, daß er kurz davor war, den jungen Mann von den Füßen zu reißen, auf den Boden zu werfen und zu entkleiden, um dann seinen hammerharten Bolzen endlich auszupacken, ihn in den Studenten zu versenken und sich damit von seinen Qualen zu erlösen.
Keuchend schluckte Deryl, versuchte, der Verlockung zu widerstehen, doch er ahnte, dies war erst der Anfang seines Untergangs!
Auch Aidan zuckte unter der plötzlichen Berührung heftig zusammen, kämpfte mit sich selbst, um sich nicht augenblicklich an die breite, einladende Brust seines neuen Arbeitgebers zu werfen.
Verdammt, warum verriet sein Körper ihn? Warum quälte er ihn? Er hatte sich doch noch nie an jemanden werfen wollen, egal wie attraktiv der Fremde auch war! Warum drängte ihn nun nicht nur sein Leib, sondern auch sein Verstand dazu?
Benommen schluckte Aidan. Die aufkeimenden Gefühle in seinem Körper erschlugen ihn fast. Irgendetwas war hier nicht in Ordnung! Skeptisch starrte er auf Dr. Wayne, der ihn neugierig musterte.
Deryl erkannte die Leidenschaft in den Augen des jungen Mannes. Er mutmaßte, daß diesen dieselben heißen Flammen verschlangen wie ihn. Hastig beugte er sich vor und roch kurz an dem Jungen. Seine Nasenflügel blähten sich für den Bruchteil einer Sekunde auf, und seine Augen glommen rot. Der Akt dauerte viel zu kurz, als daß der Student die Veränderung wahrgenommen hätte, vorausgesetzt, der junge Mann wäre ein gewöhnlicher Sterblicher!
Ein herber, männlicher und moschusartiger Geruch drang in Deryls Nase, und kurz schwanden ihm die Sinne, bevor er sich sammelte und den Duft zu analysieren versuchte. Doch er konnte nichts Eigenartiges erkennen. Nein, der junge Mann war auf alle Fälle sterblich. Dennoch zog ihn eine unsichtbare Macht zu dem Fremden, fast so, als hätte der Kleine einen Zauber über ihn verhängt.
Deryl sammelte sich und wandte sich wieder an Aidan.
„Du wirst an diesem Fall mitarbeiten!“, zischte er aufgeregt, während er auf den Ordner in Aidans Händen zeigte. „Bis Montag hast du dich durch die Unterlagen gelesen. Und du wirst mir einen Vorschlag unterbreiten, wie du den Fall bearbeiten würdest. Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir noch einmal anders überlege!“
Reflexartig wich Aidan zurück, drückte die Mappe gegen seine Brust und musterte ihn nachdenklich.
Gott, er hatte es tatsächlich geschafft! Er war tatsächlich Praktikant in der renommiertesten Rechtsanwaltskanzlei des Landes!
Aidan hätte sich freuen sollen, doch stattdessen beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Der Mann vor ihm versetzte ihn in Panik. Nicht nur, daß sein Körper nach dessen Berührungen lechzte, nein, ein unsichtbares Band schien ihn soeben eng an seinen unerwarteten Arbeitgeber gebunden zu haben.
„Danke, Sir!“, murmelte Aidan nervös, senkte seine Lider und trat hastig an die Tür, bevor es sich der Anwalt womöglich wieder anders überlegte und er bereits nach wenigen Minuten seine Praktikumsstelle verlöre. Eilig griff er nach dem Türknauf, als Deryl sich erneut an ihn wandte.
„Moment!“, zischte er und lief Aidan hinterher. „Ich brauche deine Bewerbungsunterlagen!“
Aidan blickte in das attraktive Gesicht des Rechtsanwaltes, kämpfte mit sich selbst, um die Mappe nicht fallen zu lassen, als Deryl die Unterlagen an sich nahm. Wieder berührte Dr. Wayne sachte seine schlanken Finger, dann zog dieser sich hastig zurück.
„Und jetzt verschwinde!“ zischte der Anwalt und rang mit sich, weil seine Finger heiß glühten, dort, wo er den jungen Mann berührt hatte.
Aidan schluckte nervös, starrte kurz auf seine Hände, die erneut Feuer fingen, ausgelöst durch eine simple Berührung, bevor er sich eilig umdrehte und den Raum verließ.
„Danke, Sir“, murmelte er ein letztes Mal leise. „Sie werden es nicht bereuen!“
Dann verschwand er. Er wollte nicht Gefahr laufen und doch noch etwas Unüberlegtes tun. Er wollte sich nicht selbst zum Narr machen, wenn er sich ohne Gründe gegen die einladende, starke Brust des Rechtsanwaltes warf.
Deryl starrte auf die geschlossene Tür vor sich, durch die der Student soeben verschwunden war, und keuchte tief einatmend auf.
Teufel, der Junge war vermutlich sein Untergang, dennoch mußte er ihn haben! Er wußte nicht, warum er dem jungen Mann eine Chance gab, eine Chance, die es ansonsten nie gab, für niemanden, dennoch hatte er sie dem Studenten gewährt.
Deryl atmete wieder tief ein, ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und studierte die Unterlagen des neuen Praktikanten.
Aidan Incubaré!
Ein seltsamer Name, wie Deryl fand, doch er achtete nicht weiter darauf. Sein Blick fiel sofort wieder auf das Foto des jungen Mannes, und augenblicklich erhärtete sich sein Schwanz erneut.
Gott, der Junge raubte ihm die Sinne! Er wußte nicht, wieso, aber es war so!
Wütend ballte er seine Hand zu einer Faust und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. Er ahnte, sollte der Junge je aus seinem Leben verschwinden, dann wäre er verloren. Dr. Deryl Wayne war sich sicher, sollte der junge Mann am Montag nicht erscheinen, aus welchen Gründen auch immer, dann verlöre er etwas, das er gar nie besessen hatte!
Licht flackerte. Ein heftiger Windstoß sauste durch die verborgenen Tunnel der Unterwelt. Für einen Moment erbebte der Boden, und das dunkle Gestein erzitterte ehrfürchtig. Dann verebbte der Sturm wieder, als wäre er nie gewesen. Alles schien ruhig und normal zu sein. Nichts war passiert.
Und dennoch war etwas geschehen.
Eine dunkle Macht hatte kurz an dem Fundament einer alten Weltordnung gerüttelt, eine Macht, die seit uralten Zeiten verborgen in der Unterwelt geschlummert hatte, weggeschlossen und verbannt. Doch nun war sie geweckt worden. Ein leiser Ruf hatte sie aus ihrem Tiefschlaf geholt und ihr neue Nahrung gegeben. Zu wenig, um aus ihrem alten Gefängnis auszubrechen, dennoch genug, um sich unruhig in ihrem Totenbett zu wälzen.
Friedlos wandte sie sich nun in ihrem Grab, blähte sich auf und versuchte ihren Kerker zu durchbrechen. Es war an der Zeit, endlich wieder in die Freiheit zu entschlüpfen. Der Meister hatte sie gerufen. Sie hatte es genau gespürt: Ihr neuer Gebieter hatte nach ihr verlangt! Nun war es an ihr, seinem Ruf zu folgen. Lange genug lag sie schon in ihrem steinernen Sarg. Lange genug war sie verbannt gewesen. Doch nun war es endlich soweit. Man würde sie wieder erwecken. Sie hatte es genau gefühlt. Der neue Meister brauchte sie. Er hatte sie schließlich spüren lassen, daß sein Feuer endlich entzündet worden war. Nach all der langen Zeit, nach Jahrtausenden des Wartens war sie endlich wieder an der Reihe. Der Meister würde sie zu neuem Leben erwecken. Er würde ihr neue Flügel schenken.
Und sie würde fliegen.
Sie würde emporsteigen in den Himmel, der Sonne entgegen, hinein in das Licht. Wie Ikarus würde sie immer höher steigen. Doch im Gegensatz zu ihm würde sie nicht verbrennen. Nein, sie würde höher steigen, immer höher hinaus, die Sonne hinter sich lassen, um weit draußen am Firmament ihre Energie zu entfalten. Und an der Seite ihres neuen Meisters würden ihre Fähigkeiten grenzenlos sein.
Die Macht wand sich erneut. Ihr kaltes Bett, in dem sie so lange gelegen hatte, wurde ihr plötzlich zu eng. Sie sehnte sich nach der Freiheit. Sie verzehrte sich nach der Nähe ihres Gebieters. Sie wollte hier endlich raus.
Doch der Meister schwieg. Fast schien es, als hätte er seinen Ruf zurückgenommen. Als hätte er nie nach ihr verlangt.
Wütend zog sich die Macht in ihrem Grab zusammen.
Spielte der Gebieter etwa mit ihr? Wagte er es, sie zu wecken, ohne sie von ihren Fesseln zu befreien? Hatte er ihr womöglich erneut Ketten angelegt, obwohl sie den Duft der Freiheit schon gerochen hatte?
Grollend rollte sich die Energie umher, rüttelte an der Tür ihres Kerkers, doch ihr Gefängnis blieb bestehen. Sie war noch immer gefangen, zur Untätigkeit verdammt. Und auch der Ruf des Meisters war verklungen, als hätte es ihn nie gegeben.
Die Macht formierte sich. Stumm sandte sie aus ihrem Sarkophag eine Botschaft an den Meister. Doch ihre Energie zerschellte sofort an dem unsichtbaren Leichentuch, das seit uralten Zeiten über ihr lag. Der Geruch des Todes hing über ihrem Karzer und hinderte sie, den Meister willkommen zu heißen. Sie war und blieb gefangen. Der Meister hatte ihr vermutlich nur Erinnerungen der Vergangenheit gesandt.
Nachgebend legte sich die Macht wieder in ihr Bett zurück. Ihre Wut versiegte. Die Zeit der Gefangennahme war noch nicht vorüber. Sie hatte sich getäuscht. Der Meister hatte sie noch nicht gerufen.
Stille breitete sich in dem Totenbett aus. Alles schien ruhig zu sein.
Kein Ruf! Keine Nachricht! Keine Botschaft des Gebieters!
Eine sanfte Windböe strich im selben Moment wieder über das unsichtbare Leichentuch, blähte es kurz auf und ließ es verrutschen. Das fahle Licht der Fackeln an den dunklen, groben Gesteinsmauern flackerte erneut auf. Die Erde erzitterte wieder.
Unruhig horchte die Macht auf. Rief der Meister sie etwa? Forderte er sie endlich heraus? Oder war es erneut ein Trugbild, das sie wach hielt?
Klamme, unsichtbare Hände rüttelten an dem versiegelten Tor. Feuerflammen zischten unerwartet durch einzelne Felsritzen. Der Boden erbebte. Altes Gestein löste sich von seinen Mauern und fiel donnernd in die Tiefe.
Die Macht regte sich in ihrem Grab.
Da war er wieder: der Ruf des Meisters!
Nein, sie hatte sich nicht geirrt! Der Gebieter rief sie. Er forderte sie stumm zum Duell, so wie es vorgesehen war. Die Zeit des Wartens war endlich vorüber. Nun würde es nach Tausenden von Jahren wieder zum Zweikampf kommen. Der Meister würde gegen sie antreten! Gewann er, konnte er ihr befehlen! Doch verlor er gegen sie, dann war er ihrer Kraft nicht würdig. Sie würde ihn unter ihren unsichtbaren Füßen ohne jedes Mitgefühl zermalmen!
Ungeduldig rüttelte die Macht an ihren Ketten und Fesseln. Sie war bereit! Sie wollte sich der Herausforderung stellen.
Erneut sauste ein heftiger Windstoß über das geschlossene Grab hinweg. Licht flatterte. Felsen bröckelten von den Wänden herab. Die Erde erbebte wieder.
Die Macht zog sich sehnsüchtig zusammen. Dann explodierte sie. Erregt rüttelte sie an dem Fundament ihres Gefängnisses, forderte stumm ihre Freilassung ein.
Und dann war es endlich so weit. Ein kleiner Ritz bildete sich im Boden, spaltete die Erde nur wenige Zentimeter. Doch das reichte. Stumm formierte sich die dunkle Energie, wandelte sich zu feinstem Nebel, um sich dann langsam und gleichmäßig aus ihrem Sarkophag zu stehlen. Eine dunkle Rauchschwade bildete sich dort, wo sie ihrem Totenbett entstieg. Dickbauchige Wolken zogen sich zu einem komplexen Gebilde zusammen. Es war an der Zeit. Die Jahre des Wartens waren vorbei. Der neue Meister hatte sie herausgefordert. Und sie war bereit. Sie hatte die Aufforderung angenommen. In wenigen Tagen würde sich herausstellen, ob der neue Meister zu ihrem Gebieter würde oder ob er versagte. So oder so, die erweckte Macht würde die Welt befehligen!
Zeus saß seitlich auf dem riesigen Stuhl, der einem Thron glich, und starrte auf den Brunnen, der inmitten einer riesigen Marmorsäulenhalle stand. Bombastische Gobelinteppiche hingen an den Seiten von der Decke herab und tauchten den Saal in ein tiefes Purpurrot. Einzelne Motive, der fein gewobenen Wandausschmückungen, waren nur schemenhaft zu erkennen.
Zeus seufzte müde, bevor er sich langsam erhob und seinen langen, grünen und mit einer goldenen Musterung versehenen Mantel glatt strich. Sein langes, fast weißblondes Haar reichte ihm über die schlanken, männlichen Schultern hinab und verlieh ihm ein souverän wirkendes Erscheinungsbild.
Skeptisch trat er an den Brunnen heran und sah erneut in das glasklare Wasser, dessen Oberfläche goldrot glänzte, während er seine Hände auf der kalten Marmorplatte des Brunnens abstützte.
„Hm“, brummte er, ohne seine Augen von dem Wasser zu wenden.
Es schien, als würde er darin lesen können, als würde das Naß ihm eine Botschaft zukommen lassen, eine Botschaft, die ihm anscheinend gar nicht gefiel.
Nachdenklich strich er mit einer Hand über sein glatt rasiertes Kinn, bevor er sich abwandte und auf den Lakaien, der steif am Ende des Saales neben den riesigen, goldenen Toren stand, blickte.
„Du da!“, zischte Zeus in einem scharfen Ton. „Bestell Hades zu mir! Sofort!“
Der Lakai nickte stumm, wandte sich hastig ab und trat durch eine kleine Tür innerhalb des großen, goldenen Tors, während Zeus sich wieder über den Brunnen beugte. Er achtete nicht länger auf den Bediensteten, stattdessen starrte er in das klare Wasser, das nun aufsprudelte und helle, weiße Blasen warf. Zeus` Stirn furchte sich. Seine blauen Augen blitzten hell auf. Irgendetwas stimmte hier nicht! Irgendetwas ging hier vor sich! Er wußte noch nicht, was es war, aber er ahnte es. Etwas Bedrohliches, Gefährliches war im Anmarsch. Noch nicht sichtbar, aber vorhanden. Es brodelte im Verborgenen, tief genug, daß es vermutlich niemand mitbekam, aber stark genug, daß er die Gefahr witterte. Er hoffte für Hades, daß es eine Erklärung dafür gäbe, und daß der Gott der Unterwelt es unter Kontrolle hätte, ansonsten mußte er seinem Bruder wieder einmal klarmachen, was es hieß, Verantwortung für etwas zu übernehmen.
Stumm seufzte Zeus auf, bevor er sich umwandte und zu seinem thronartigen Stuhl zurückging. Daneben war eine kleine Vorrichtung für seinen Greifvogel aufgestellt, der skeptisch auf seinen Herrn starrte.
„Ich ahne Schlimmes!“, sprach Zeus zu dem Adler, der wippend auf seiner Stange saß. „Ich befürchte drohende Gefahr! Gefahr, die uns alle vernichten könnte!“
Zeus ließ sich auf seinen Stuhl fallen und strich gedankenverloren über den Kopf des riesigen Vogels, der seinen Gebieter argwöhnisch anstarrte und sich sofort aufblähte.
Nachdenklich sah der oberste Gott auf den Brunnen, aus dem nun Wasser spritzte und sich am weißen Marmorboden zischend verteilte. Jeder Zweifel, den Zeus vor wenigen Minuten noch hatte, wurde im selben Moment immer mehr zur Gewißheit. Ja, irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas lauerte im Verborgenen auf seinen Einsatz und schlüge zu, sobald es genügend Macht gesammelt hätte, sobald es sicher wäre, über alle anderen zu siegen!
Der Mann setzte sich ruckartig in seinem steinernen Totenbett auf. Dunkelheit umgab ihn. Eisige Kälte lag wie eine dicke Schneedecke um seinen alten Körper. Irgendetwas hatte ihn nach langer Zeit geweckt. Der Duft einer seltsamen Aura hing in seinem Sarkophag, der ihn für Jahrtausende sicher vor sämtlichen Welten geschützt hatte. Doch nun war die Ruhe der Ankunft einer neuen, ungewohnten Macht gewichen.
Der Mann keuchte schockiert auf, dann versuchte er, den Geruch zu analysieren. Für einen Herzschlag hielt er den Atem an.
Konnte es möglich sein? Nahm er tatsächlich die Aura eines neuen Herrschers wahr? Oder spielte ihm sein alter Geist einen Streich und vermittelte ihm nach all den Jahren der Ruhe und Sorglosigkeit ein Trugbild? Irrte er sich womöglich?
Erneut zog der Fremde den mit Magie und Macht geschwängerten Sauerstoff tief ein. Wieder verharrte er für Sekunden atemlos, bevor er heftig Luft ausstieß. Nein, er hatte sich nicht getäuscht, er wurde nicht fehlgeleitet. Er konnte den Anwärter für den Herrschertitel genau fühlen!
Ein breites Grinsen zog sich augenblicklich über das Gesicht des Fremden, und beinahe hätte er laut aufgelacht, wären seine Stimmbänder durch die lange Ruhezeit nicht erheblich beeinträchtigt gewesen. Nun kam ein seltsamer, ächzender Laut aus seinem Mund und ließ ihn sofort verstummen. Er ließ sich in sein Totenbett zurückfallen, während er noch einmal den neuen Geruch, der ihn ruckartig aus seinem Schlaf geholt hatte, einsog.
Teufel, nach all den Jahren der Stille kam endlich wieder Leben in seinen Körper! Nach langer Zeit konnte er seine Gliedmaßen endlich wieder fühlen! Die Hölle hatte ihn wieder!
Sich streckend, atmete der Mann den ungewohnten Duft ein. Es war herrlich, wieder aus seinem Ruhezustand zu erwachen. Freudig lachte er noch einmal auf. Dann ergötzte er sich an dem Geruch des Vertrauten und Alten, das dennoch so neu, jung und anders war. Gemächlich stützte er sich auf seine Unterarme ab und starrte in die Dunkelheit.
Ein unruhiges Gefühl übermannte ihn plötzlich. Eine seltsame Brise einer unnatürlichen, mächtigen Macht kitzelte seine Nase und jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sein permanentes Grinsen verschwand augenblicklich aus seinem Gesicht.
Verdammt, war der neue Anwärter womöglich ein Konkurrent für ihn? Oder würde der junge Gebieter auf derselben Seite wie er kämpfen?
Der Mann zischte fahrig auf. Er musste sich beeilen! Wenn der Geruch der neu aufgeflammten Aura bis zu ihm vorgedrungen war, dann hatten seine alten Freunde, mit denen er seit jeher im Disput lag, sie vermutlich schon viel früher wahrgenommen. Es war somit nur mehr eine Frage der Zeit, wer von ihnen den neuen Anwärter für sein Reich zuerst fand. Er keuchte schwer. Er musste schneller sein! Nur so konnte er ausfindig machen, auf welcher Seite der neue Bewerber stand. Nur so konnte er in Erfahrung bringen, ob sein Reich in Gefahr wäre oder nicht!
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